Donnerstag, 23. August 2012

Unverdientes Vertrauen




Zu Beginn einige Erklärungen.
Hervorhebungen in den Zitaten sind von mir zum besseren Verständnis eingefügt. Ein gewisses Grundverständnis von der Struktur und den Glaubensinhalten der Zeugen Jehovas ist zum besseren Verständnis dieses Artikels hilfreich, aber nicht zwingend nötig.

Mit der "Wachtturmgesellschaft" ist die verwaltende Organisation der Zeugen Jehovas gemeint, nicht die gesamte Glaubensgemeinschaft. Die "Leitende Körperschaft" ist ein Gremium aus derzeit sieben Männern, die der Wachtturmgesellschaft vorstehen, die gültigen Lehren festlegen und bei Bedarf Korrekturen vornehmen. Diese Lehren sind für alle Zeugen Jehovas weltweit verbindlich gültig. Es gibt jedoch einige wenige Punkte, wie den Zivildienst oder die medizinische Behandlung mit Plasmafragmenten, die als "Gewissensentscheidung" jedem Mitglied selbst überlassen werden.

Bei der Taufe, bei der ein "Ungetaufter Verkündiger" (quasi der Vorstatus eines vollwertigen Zeugen Jehovas) völlig in der Gemeinschaft aufgenommen wird und die in der Regel auf den Kongressen stattfindet, werden den Taufanwärtern zwei Fragen gestellt.

Diese Fragen lauten wie folgt:

1. Hast du auf der Grundlage des Opfers Jesu Christi deine Sünden bereut und dich Jehova hingegeben, um seinen Willen zu tun? 
 2. Bist du dir darüber im Klaren, dass du dich durch deine Hingabe und Taufe als ein Zeuge Jehovas zu erkennen gibst, der mit der vom Geist geleiteten Organisation verbunden ist?
 Der Wachttum, 1. April 2006, Seite 24
Auf diese Fragen wird im Laufe dieses Artikels noch Bezug genommen.


Wer Zeuge Jehovas ist, war, als solcher aufwuchs oder konvertiert ist, erlernt typische Argumentationen. Theologische Debatten, insbesondere wenn es um Auseinandersetzungen mit Atheisten oder Gläubigen anderer Religionen geht, verlaufen häufig in ähnlichen Schemata. Daher studieren Zeugen Jehovas Antworten auf übliche Fragen und Einwände ein, um sie in der entsprechenden Situation sofort zur Hand zu haben und sich keine argumentative Blöße geben zu müssen.
Eine typische Frage ist diese: "Warum glauben Sie, das die Bibel etwas über die Zukunft weiß?"
Und die typische Antwort wurde mir so oft in den Kopf gehämmert, das sie mir jedes Mal einfällt, wenn das Thema auch nur ansatzweise in die Richtung geht: "Die Bibel hat viele Vorhersagen gemacht, und alle bis auf die, die in der Zukunft liegen, haben sich erfüllt. Man kann also davon ausgehen, das auch alle weiteren Vorhersagen in Erfüllung gehen werden."

Grundsätzlich bin ich bereit, der Behauptung zu folgen, das jemand, der viel verspricht und soweit alles gehalten hat, auch zukünftige Versprechen halten wird - in einem vernünftigen Rahmen, versteht sich. Der Umkehrschluss aus diesem Argument muss allerdings auch gelten. Die Wachtturmgesellschaft führt ihn selbst im "Erwachet!" vom 22. März 1993 auf Seite 3 wie folgt an:

Verspieltes Vertrauen
"Die Geschichte handelt von einem Jungen, der die Schafe der Dorfbewohner hütete. Um für etwas Aufregung zu sorgen, rief er eines Tages: „Ein Wolf! Ein Wolf!“, als gar kein Wolf da war. Die Dorfbewohner stürzten mit ihren Prügeln heraus, um den Wolf zu vertreiben. Doch kein Wolf weit und breit! Das machte dem Jungen so viel Spaß, daß er den Streich bei passender Gelegenheit wiederholte. Wieder kamen die Dorfbewohner mit ihren Knüppeln herausgestürzt. Und wieder war es nur falscher Alarm. Dann kam der Wolf tatsächlich, und der Junge rief: „Ein Wolf! Ein Wolf!“ Aber diesmal taten die Dorfbewohner sein Rufen als einen weiteren falschen Alarm ab. Sie waren zu oft getäuscht worden."

Der Junge hatte das Vertrauen der Dorfbewohner verloren, indem er wiederholt falsche Aussagen machte.

Wer aktives Mitglied der Zeugen Jehovas ist, glaubt nicht einfach nur an Gott, Jesus oder die Bibel. Er lebt ein Gesamtpaket, bestehend aus einer Vielzahl von Geboten und Lehren. Wer dementsprechend lebt, schenkt dieser Gesellschaft eine ungeheure Menge an Zeit und durchaus auch an materiellen Ressourcen, bedenkt man Fahrtkosten in die Versammlung und den Predigtdienst, Unterbringung bei Kongressen und Spenden. Die dafür erforderliche persönliche Energie und Leistungsbereitschaft besonders derjenigen, die Ämter übernehmen, ist nicht zu unterschätzen. Gleichzeitig gibt man spätestens mit der Taufe ein Stück weit die Kontrolle über das eigene Leben - im Falle der Blutfrage ganz buchstäblich und direkt - an dieses Lehrenkonstrukt ab.

Das erfordert Vertrauen, und davon nicht wenig. Niemand von uns kauft ein Auto, mit dem er nicht probegefahren ist. Ein Zeuge Jehovas braucht aus zuvor erwähnten Gründen eigentlich wesentlich mehr Belege für den Wahrheitsgehalt der Aussagen der Wachtturmgesellschaft, respektive der Leitende Körperschaft. Aber wie lässt sich überprüfen, ob es z. B. den Gott gibt, von dem die Zeugen Jehovas sprechen, ob ihre Interpretation der Bibel, ob die Bibel überhaupt zutrifft? Hier setzen die Diskussionen an, die mein Bruder und ich häufiger geführt haben, als wir zählen können. Es geht um Evolution und Schöpfung, Menschenrechte, Ethik und Moral, Historizität und Authenzität, es geht um Philosophie und Zeitgeist, um Interpretationen und Macht. Die Religion hat es scheinbar an sich, sich immer wieder ins nicht Greifbare zu flüchten. Gläubige stellen komplexe scheinlogische Rückschlüsse auf, um beispielsweise die Evolution zu widerlegen bzw. die Schöpfungsgeschichte zu belegen, andere üben sich in wissenschaftlichen Halbwahrheiten. Selten lässt sich die Sache auf den Punkt bringen, und hat man sie dort, entfleucht der argumentativ in die Enge getriebene Gläubige auf einen Nebenstrang der Argumentation, und das Spiel beginnt erneut.

Die eingangs erwähnte Fabel wird von der Wachtturmgesellschaft als Maßstab für verprelltes Vertrauen angeführt. Ich will ihr nun den gleichen Maßstab anlegen, und hoffe, so einen einfachen Weg aufzuzeigen, der darlegt, wieviel (oder wie wenig) Vertrauen sie tatsächlich verdient.

Zweifelsohne gibt es Behauptungen, Lehren, Thesen, deren Wahrheitsgehalt nicht überprüfbar ist. Wilde Interpretationen im Offenbarungsbuch, welches mehrköpfige Ungeheuer nun welches Weltreich darstellen soll, lassen sich schwerlich widerlegen, sofern man dem überhaupt Glauben schenken will, und so verhält es sich mit den meisten Lehren der Zeugen Jehovas. Es sind Interpretationen, die nicht an der Realität festzumachen sind, Behauptungen, die sich mit diversen Indizien und Vermutungen vertragen, wiederrum mit Gegeninterpretationen konkurrieren. 

Aber nicht alle Lehren der Zeugen Jehovas sind so schwer zu greifen.

Zeugen Jehovas haben im Laufe ihrer jetzt etwa 140jährigen Geschichte durchaus Aussagen gemacht, deren Wahrheitsgehalt definitiv überprüfbar ist und die keinen Interpretationsspielraum lassen. Die folgende Liste umfasst alle die mir, während ich hier sitze und diese Zeilen schreibe, spontan eingefallen sind. Die Anordnung erfolgt grundsätzlich chronologisch, solange ich den zeitlichen Ursprungspunkt der jeweiligen Lehre zuordnen kann. Zu jeder Lehre finden sich die jeweiligen Literaturverweise; die von mir angeführten sind jeweils nur Stichproben, in der Regel gibt es deutlich mehr Textstellen, die die jeweilige Lehre in sich tragen. Man beachte, dass hier ganz ausdrücklich nicht von Vermutungen, Eventualitäten oder Theorien gesprochen wird. Einige der hier aufgezählten Aussagen mögen selbst manchen Zeugen Jehovas unbekannt sein.


1.)
Der Krieg Gottes endet, menschliche Regierungen verschwinden am Ende des Jahres 1915. 

Originalzitat: "In view of this strong Bible evidence concerning the Times of the Gentiles, we consider it an established truth that the final end of the kingdoms of this world, and the full establishment of the Kingdom of God, will be accomplished near the end of A.D. 1915."
Quelle: Studies in the Scriptures Ser. II The Time is at Hand, 1889, S. 99



2.) 
 Der Krieg Gottes endet, menschliche Regierungen verschwinden nicht lange nach dem Jahr 1914 [notwendige Korrektur, da man 1926 die Lehre zum Ende von 1915 nicht mehr aufrechterhalten konnte]

Originalzitat: "[..] liefern wir den biblischen Nachweis, daß das völlige Ende der Zeiten der Heiden (Nationen), d. i. das volle Ende ihrer Herrschaft, mit dem Jahre 1914 errichtet sein wird; und daß dieses Datum die Auflösung der Herrschaft unvollkommener Menschen bringen wird. [...] Im Hinblick auf diesen starken biblischen Beweis über die Zeiten der Nationen betrachten wir es als feststehende Wahrheit, daß das schließliche Ende der Reiche dieser Welt und die volle
Herstellung des Königreiches Gottes nicht lange nach 1914 ... erfolgt sein werden."

Quelle: Schriftstd Bd. 2 Die Zeit ist herbeigekommen, 1889, dt. Ausg. 1926, S. 73, 74

[Die weiteren Prophezeiungen und ihre Revisionen um die Jahre 1874, 1908 - 1918 sind mir bekannt, der Einfachheit halber führe ich aber nicht alle auf.]


3.)
 Alle Republiken verschwinden im Herbst 1920

Originalzitat: "And every island fled away. - Even the republics will disappear in the fall of 1920."

Quelle: Studies in the Scriptures Ser. VII The Fínished Mystery, 1917, S. 258


 4.)
  Die "Fürsten" aus biblischer Zeit werden im Jahr 1925 wiederauferweckt

Originalzitat: "können wir erwarten, im Jahr 1925 Zeuge zu sein von der Rückkehr dieser treuen Männer Israels aus dem Zustand des Todes; [...]"
Quelle: Millionen jetzt lebender Menschen werden nie sterben, 1920, S. 79, 80, 103 f.


Originalzitat: "Wir haben keinerlei Zweifel an der Chronologie in Bezug auf die Daten 1874, 1914, 1918 und 1925. Auf dieser Linie der Errechnung ist man auf 1874, 1914 und 1918 gekommen; und der Herr hat den Jahren 1914 und 1918 sein unverbrüchliches Siegel aufgedrückt. Welche weiteren Beweise brauchen wir noch? Unter Benutzung desselben Maßes ... ist es ein leichtes, zu 1925 zu kommen, wahrscheinlich im Herbst, zu Beginn des gegenbildlichen Jubeljahres. Über 1925 kann es nicht mehr Zweifel geben als über 1914."
Quelle: The Watchtower, 15. Mai 1922


5.) 
6000 Jahren biblischer Menschheitsgeschichte enden, alle menschlichen Systeme sollen vergehen im Jahr 1975


Originalzitat: "Sollten wir aufgrund dieses Studiums annehmen, das im Herbst 1975 die Schlacht von Harmagedon vorüber sein und die langersehnte Tausendjahrherrschaft Christi beginnen wird? Vielleicht; wir wollen aber abwarten und sehen inwieweit die siebente 1000 Jahr Periode der Menschheitsgeschichte mit der sabbatähnlichen Tausendjahrherrschaft Christi zusammenfällt. ... Der Unterschied mag höchstens einige Wochen oder Monate, keinesfalls Jahre ausmachen. ... Es ist nicht an der Zeit, mit dem Gedanken zu spielen, Jesus habe ja gesagt: „Von jenem Tage und jener Stunde hat niemand Kenntnis, weder die Engel der Himmel noch der Sohn, sondern nur der Vater.“ (Matth. 24:36) Im Gegenteil, wir sollten uns ständig vor Augen halten, dass das gewaltsame Ende des gegenwärtigen Systems der Dinge eilends herannaht."
"Es ist nicht an der Zeit, mit dem Gedanken zu spielen..."
Literaturverweis: Der Wachtturm, 15. November 1968, S. 691
 [Interessant bei der 1975er Lehre ist, dass Ende der 1960er, als die Lehre Fahrt aufnahm, die ersten literarischen Hinweise eher verhalten ausfallen und man nicht so recht definitive Zusagen geben wollte. Jedoch finden sich viele Textstellen in der Literatur vom Ende der 1960er bis zu 1975, die immer wieder das Jahr 1975 thematisieren und intensiv Hoffnungen schüren. Es wird sogar der Rat gegeben, auf Hochschulbildung zu verzichten, seinen Besitz zu verkaufen und wie andere Zeugen Jehovas zu "planen, den Rest ihrer Tage in diesem alten System im Pionierdienst zu verbringen". Tonaufnahmen von einer Ansprache des damaligen Leiters des Zweigbüros, Konrad Franke, bei einer Ansprache vom 20. Januar 1968 zum Jahr 1975 belegen, wie perfide Hoffnungen geschürt und Erwartungen geweckt wurden.]


6.) 
Die Generation* von 1914 wird nicht vergehen, bevor Harmagedon (Gottes Krieg) kommt 


Originalzitat: "Nachdem Jesus auf die vielen Dinge aufmerksam gemacht hatte, die die Zeit nach 1914 gekennzeichnet haben, sagte er: ‚Diese Generation [wird] auf keinen Fall vergehen ..., bis alle diese Dinge [einschließlich des Endes dieses Systems] geschehen“ (Matthäus 24:34, 14). Welche Generation meinte Jesus? Er meinte die Generation, die 1914 am Leben war. Diejenigen, die von dieser Generation noch am Leben sind, sind bereits sehr alt. Doch einige von ihnen werden noch am Leben sein, wenn dieses böse System zu Ende geht. Eines ist somit klar: In kurzem wird für alles Böse und für alle bösen Menschen in Harmagedon das Ende kommen."
Quelle: Du kannst für immer im Paradies auf Erden ewig leben, 1982, S. 154
 [* Eine Generation umfasste beim damaligen Verständnis etwa 70, 80 Jahre, siehe "Der Wachtturm" vom 1. Februar 1970, "Das Predigen der guten Botschaft allem voranstellen"]
[Die Generationslehre wurde zwangsläufig immer wieder korrigiert und angepasst, da mangels göttlicher Inspiration der Zahn der Zeit aufdeckte, das diese Lehre unwahr ist. Raymond Franz beschreibt in seinem Buch "Der Gewissenskonflikt" anschaulich, wie die Leitende Körperschaft immer wieder zusammenkommen und das Verständnis der Lehre überarbeiten musste, bis sie schließlich von der Vorstellung einer realen Generation zurücktraten und sich in die schwammige Definition einer Generation als eine Art Epoche flüchteten.]

Das soll an Beispielen genügen.

Die obigen Lehren waren verbindlich. Sie wurden mit angeblichen "Beweisen" belegt, "Nachweise" wurden erbracht, sie waren über "jeden Zweifel" erhaben und galten als "feststehende Wahrheit". Vollmundiger kann man sich kaum festlegen.
Entsprechen Zeugen Jehovas ihren eigenen Ansprüche?
Dennoch: Jede einzelne dieser Lehren hat sich unbestreitbar als falsch erwiesen. Die Wachtturmgesellschaft tat ihr Möglichstes, von ihren Fehlern abzulenken; mal korrigierte sie in späteren Ausgaben der jeweiligen Literatur die Jahreszahlen und erkaufte sich damit eine Gnadenfrist, die selbstverständlich ebenfalls ablief, ohne dass das Versprochene eintraf; im Falle der Prophezeiung für das Jahr 1975 schob sie im Nachhinein die Schuld auf "Debatten", die "einzelne" oder "manche" geführt hätten und es zu einem "Missverständnis" gekommen wäre. Nichts davon entspricht der Wahrheit. Denn die Gesellschaft selbst, die in der zweiten Tauffrage den Anwärtern abverlangt, sich direkt zur Wachtturmgesellschaft zu bekennen ("Der Wachtturm", 1. April 2006, Seite 24 Abs. 14) und ihr Glaubenskonstrukt zu übernehmen, hat dafür gesorgt, das Zeugen Jehovas im Allgemeinen weniger nach ihrem persönlichen Gewissen folgen als den Leitlinien, die von der Gesellschaft vorgegeben werden. ("Der Wachtturm", 1. Juli 1984, Seite 15 Abs. 8).

Einige Wochen, bevor ich diesen Artikel schrieb, stellte ich einer 94-jährigen Zeugin Jehovas die Frage, wie sie die Erwartungen um das Jahr 1975 erlebt habe. Sie gab an, voller Hoffnung und Spannung gewesen zu sein, was, nachdem das Jahr vorbei und nichts geschehen war, in tiefe Trauer und Frustration umschlug. Auf meine Frage hin, woher sie denn ihre Annahmen bzgl. dieser Jahreszahl genommen habe, gab sie an: "Natürlich aus der Literatur, woher denn sonst?" Und tatsächlich ist ein anderer Weg gemäß der Hierarchie der Wachtturmgesellschaft nicht denkbar.

Ohne weiteres lässt sich sagen, dass die Lehren oder Aussagen der Zeugen Jehovas, abgeleitet aus der Bibel, nach akribischen Studien unter immensem Zeitaufwand festgelegt und mit intensivem Einsatz über die Literatur verbreitet, in allen definitiv überprüfbaren Fällen so falsch wie nur irgend möglich waren Wieviel Vertrauen verdient jemand, der sich nicht nur dermaßen irrt, sondern sich sogar weigert, die Verantwortung dafür zu übernehmen und sich weiterhin als Sprachrohr göttlicher Inspiration ausgibt?

Würde man eine Stichprobentabelle anfertigen und überprüfbare mit nicht überprüfbaren Lehren der Zeugen Jehovas zusammenlegen und auswerten, würde das ganze wie folgt aussehen (rot unterlegt -> trifft zu):



Betrachtet man die Tabelle etwas länger, drängt sich eine Frage förmlich auf: was ist mit den vielen anderen Lehren, deren Wahrheitsgehalt zwar nicht direkt überprüfbar ist, die aber dennoch nur etweder wahr oder falsch sein können? Ein Grund, weshalb diese Lehren nicht ebenso falsch sein sollten, fällt mir nicht ein.


Man kann der Wachtturmgesellschaft nicht den Vorwurf machen, sich keine Mühe gegeben zu haben. Sie haben die Bibel rauf und runter bearbeitet, in ihrer anderthalb Jahrhunderte umspannenden Geschichte unzählige Male den Kurs geändert und sich scheinbar wirklich bemüht, der Bibel zukunftswirksame Aussagen abzuringen. Und mit jeder weiteren falsifizierbaren Aussage trieben sie den Nagel tiefer in den Sarg.   
Anstatt aus ihren Fehlern, sofern überhaupt möglich, zu lernen, zeigen sie in keiner Form, das sie überhaupt begreifen, wie wenig vertrauenserweckend ihr Verhalten wirkt. Die Generationslehre ist noch relativ aktuell; wäre man nicht aufgrund der abgelaufenen Zeit gezwungen gewesen, sie zu revidieren, würden Zeugen Jehovas heute noch an ihr festhalten. Spricht man Zeugen Jehovas auf diese Jahreszahlen an, sprechen sie von "heller werdendem Licht" im Sinne von einem zunehmend besseren Verständnis der Bibel, interpretiert aus Sprüche 4:18, und verheimlichen dabei (oder wissen nicht), das sie ihre Lehren erst änderten, als die Lehren ganz offensichtlich nicht mehr haltbar waren, da das jeweilige Datum abgelaufen und nichts geschehen war.


Das Fazit könnte nicht deutlicher sein. Das Vertrauen, das die Wachtturmgesellschaft von ihren Gläubigen verlangt, ist unverdient.

Montag, 6. August 2012

Atheismus




Wann immer ich mit Gläubigen spreche, läuft es nach einer Weile aus den verschiedensten Gründen auf ein Thema hinaus: Atheismus.
Auffällig dabei ist, dass ich mich immer wieder den exakt gleichen Vorwürfen zu stellen habe. Der Atheismus sei für so furchtbare Verbrechen verantwortlich, der Atheismus würde keine moralische Grundlage liefern, der Atheismus sei auch nur ein Glaube und, und, und.
Darauf möchte ich gern im Folgenden Bezug nehmen.
Ich werde mich eingangs um eine sehr kurze Erklärung bemühen, die kurz umreißen soll, was Atheismus eigentlich ist. Im Hauptteil möchte ich mich dann mit den populärsten Vorurteilen gegenüber dem Atheismus beschäftigen und abschließend ein paar Konsequenzen daraus ableiten, die ich ganz persönlich als Folge aus dem Atheismus zog und noch immer ziehe.

Zuerst einmal ganze Vorne angefangen, was ist die Grundbedeutung von Atheismus? Das Bertelsmann Universallexikon beschreibt einen Atheisten als einen „Gottesleugner im Sinn der Negation jeder Art göttlicher Wirklichkeit.“ Passend dazu wird auf Wikipedia der Atheismus als die „Überzeugung, dass es keinen Gott bzw. Götter gibt“ beschrieben. Philosophen und prominente Atheisten prägten in der Vergangenheit immer wieder die mit dem Naturalismus übereinstimmende Position, dass es „im Universum mit rechten Dingen zugeht.“
Ich persönlich beschreibe Atheismus als die Einstellung bzw. Ablehnung jedweder Gottesidee und ich denke, damit stimme ich mit den obigen Erläuterungsversuchen ganz gut überein.

Vorab möchte ich noch eine kleine Unterscheidung im Atheismus einführen, welche allein auf meiner persönlichen Einschätzung beruht. Ich teile die Atheisten in 2 Gruppen ein: In die „natürlichen Atheisten“ und die „bewussten Atheisten“.
Als „natürliche Atheisten“ bezeichne ich die Menschen, die sich nie wirklich mit dem (bzw. irgendeinem) Theismus und den dort enthaltenen Lehren beschäftigten und aus diesem Grund vollkommen ‚natürlich‘ nicht an eine Gottesidee glauben (so sind meiner Meinung nach z. B. Neugeborene und kleine Kinder „natürliche Atheisten“, da sie von sich aus nicht an einen christlichen oder jüdischen Gott glauben. Sie lehnen diesen Gedanken zwar nicht bewusst ab, aber das liegt allein daran, dass sie ihn schlichtweg nicht kennen und somit vollkommen davon befreit sind. Dieser Glaube an einen Gott würde erst durch Fremdeinwirkung antrainiert). Als „bewusste Atheisten“ verstehe ich diejenigen, die durch ihnen bekannte Gründe (ob rational oder irrational sei dahingestellt) und bei klarem Verstand die Idee eines Gottes ablehnen.

Jedenfalls, der Atheismus ist die schlichte Ablehnung. Aus diesem Grund ist es auch unmöglich, ihn mit dem Christentum oder einer anderen Religion zu vergleichen, womit ich beim ersten Vorwurf wäre:


„Der Atheismus ist doch auch nur eine Religion/ein Glaube!“

Eben nicht. Der Atheismus ist kein Glaube, sondern die Ablehnung des Glaubens. Oft geht mit diesem Einwand der Vergleich mit dem etablierten Monotheismus einher. Jedoch ist es äußerst unüberlegt, einen Vergleich anzustellen und zwar aus folgendem Grund: Ein Monotheismus charakterisiert sich immer durch eine gewisse Ideologie und dadurch mit diversen Inhalten. Im Falle des Judentums, Christentums und des Islams ist das ganz klar der Gedanke an einen persönlichen Gott, welcher Gebete erhören und eingreifen kann, die elitäre Stellung der jeweiligen Gläubigen und aus heiligen Büchern zu entnehmende Moralvorstellungen. Dem Atheismus jedoch „fehlen“ jegliche Inhalte. Er ist komplett frei von Moralvorstellungen (was wiederum einen eigenen Vorwurf an den Atheismus darstellt, aber dazu später mehr), frei von der Emporhebung einer gewissen Bevölkerungsgruppe als auserkorenes Volk und erst recht frei von der Idee eines Gottes.
Theismus - gefüllt mit Inhalten
Es gibt im Englischen einen sehr passenden Vergleich, welcher besagt „If atheism is a religion, then ‚Off‘ is a TV channel.“
Damit sollte klar gezeigt sein, dass man den Atheismus schlichtweg etwas ganz anderes ist als eine Religion. Denn das Vorhandensein von Inhalten ist nur schwer mit dem nicht-Vorhandensein von Inhalten zu vergleichen, so wie der Aus-Schalter am Fernseher nicht auf einen anderen Kanal wechselt, sondern den Fernseher ausschaltet. Dies im Hinterkopf behaltend sind im Grunde fast sämtliche Argumente und Behauptungen gegen den Atheismus widerlegt. Wenn es doch nur so einfach wäre…
Infolge der Darlegung und der Erklärung des Atheismus trifft man recht schnell auf einen Einwand, welcher auf den ersten Blick relativ überzeugend wirkt:


„Du glaubst doch nur, dass Gott nicht existiert, ebenso wie ich glaube, dass er existiert.“

Kurz und knapp: Vollkommen richtig. Kein einziger Atheist auf der Welt kann beweisen, dass es Gott nicht gibt. Aber ebenso wenig kann irgendjemand auf der Welt beweisen, dass es den Weihnachtsmann, den Osterhasen, Elfen oder Trolle nicht gibt. Tatsächlich ist die Person, die eine Behauptung aufstellt in der Beweislast. Und die Behauptung ist nun einmal, es würde einen Gott geben (sich rhetorisch für begabt haltende Theisten versuchen gern die recht abgedroschene Argumentation, ein Atheist würde die Behauptung aufstellen, es gäbe keinen Gott, also müsse dieser es beweisen. Das ist natürlich eine leicht zu durchschauende Verkehrung der Tatsachen.). Bei dieser Gelegenheit sollte mit einem Gerücht über den Atheismus aufgeräumt werden: Der Atheismus besagt nicht, es gäbe keinen Gott und man könne dies beweisen.  Eine bislang nicht bewiesene Behauptung ist auch nicht zu widerlegen, da die zu widerlegenden Beweise schlichtweg fehlen. Ich und viele andere bewusste Atheisten sehen im Atheismus viel eher die Aussage, dass es keinen vernünftigen Beweis bzw. Grund gibt, an einen Gott zu glauben.

Hierbei sollte nicht ganz unbeachtet bleiben, dass mit dem religiösen Glauben in den seltensten Fällen ein „nicht-Wissen“ gemeint ist. Viel eher ist es oftmals so, dass ein religiöser Glaube ein unbedingtes Fürwahrhalten bedeutet, absolut unzugänglich für jedwede Art von Kritik oder Widerwort. Jedoch wird das „Glauben, es gäbe keinen Gott“ als schlichte Vermutung oder fehlendes Wissen abgetan.
Diese Erklärung bietet an einer bestimmten Stelle einen hervorragenden Aufhänger für einen weiteren Vorwurf an den Atheismus. Weiter oben schrieb ich, dem Atheismus würden im Vergleich Inhalte „fehlen“. Er sei frei von Moralvorstellungen. Ist das so?


„Und wie weißt du dann, was gut und schlecht ist? Woher nimmst du deine Moral?“

Unzählige Male durfte ich mich diesen Fragen stellen. Und ich muss gestehen, dass sie ein furchtbares Armutszeugnis für den Fragesteller bescheinigen. Aber darauf möchte ich noch nicht eingehen, sondern es später nachholen.
Die Beantwortung der Frage ist relativ simpel: Der Atheismus beschäftigt sich nicht mit Fragestellungen nach der moralischen Aufrichtigkeit oder dem Einschätzen und Beurteilen von moralischen Belangen. Daher müssen für solche Themen andere Quellen zu Rate gezogen werden. Tatsächlich ist eine ethische Basis einer Gesellschaft genau genommen einzig dann möglich, wenn ein atheistisches Grundverständnis vorhanden ist. Das klingt wie eine ziemlich gewagte Behauptung, welche ich jedoch nicht unbegründet lasse:
In der praktischen Ethik geht es darum, möglichst faire Lösungen für diejenigen zu finden, die an einem Konflikt beteiligt sind. Im Theismus spielt jedoch nicht die faire Lösung für die Beteiligten eine Rolle, sondern die religiös geprägte Einschätzung der Lage (und dass diese sich nicht immer nach den menschlichen Bedürfnissen und einer entsprechenden Fairness ausrichtet, wird jeder verstehen, der eine schariakonforme Steinigung einer Ehebrecherin sehen durfte). Wird in einer Konfliktsituation erst einmal der angeblichen Meinung einer göttlichen Position Wert verliehen, besteht im Allgemeinen keine Basis mehr für ethisches Handeln. Natürlich bedeutet das nicht, dass religiöse Menschen unfähig zu ethischem Handeln sind, mitnichten. Jedoch ist die religiöse Basis kaum brauchbar, wenn es um die faire Konfliktlösung zwischen Gläubigen verschiedener Religionen untereinander und Glaubensfreien, sprich Atheisten, geht.
Das heißt, um es kurz zu fassen: Moral (ausnahmsweise als Synonym für Ethik) und das Beurteilen von ‚gut‘ und ‚schlecht‘ müssen auf der Basis von menschlichen Interessen im Einklang mit den Umständen passieren. Eine theistische Position wäre in diesem Falle höchst hinderlich, da diese meistens nicht verhandelbar ist, somit kann keine wirklich faire Übereinkunft getroffen werden.
Natürlich ist obiges kein Inhalt des Atheismus. Denn wie bereits angeführt, ist der Atheismus frei von Inhalten. Jedoch ist dies eine Antwort auf den Vorwurf, als Atheist sei man ein Mensch ohne moralische Vorstellungen. Der Atheismus beschäftigt sich mit solchen Fragen nur nicht. Das heißt aber nicht, dass ein Atheist sich auch nicht damit beschäftigen würde. Ein fataler Fehlschluss, der aus dem bereits als unzulässig entlarvten Vergleich zwischen Theismus und Atheismus entsteht. Während ein Christ sich mit sämtlichen Inhalten seiner Ideologie identifiziert, wird fälschlicherweise angenommen, dass der Atheist sich ebenfalls nur mit dem Atheismus identifiziert, welcher ja keine vergleichbaren Inhalte besitzt.
Behält man dies im Hinterkopf, ist der nächste Vorwurf eine einzige Farce, jedoch sollte er aufgrund seiner inflationären Anwendung Erwähnung finden.


„Der Atheismus hat die schlimmsten Untaten hervorgebracht, Hitler war ein Atheist und der Atheismus ist schuld am Holocaust!“

Stalin und Mao werden auch gerne im gleichen Atemzug genannt, jedoch spielt dies bei der Widerlegung keine Rolle. Natürlich könnte man auf den Personenkult um Hitler (oder Stalin und Mao) Bezug nehmen, welcher sicherlich religiöse Züge hat. Auch könnte man erwähnen, dass sich in Hitlers Buch „Mein Kampf“ klare Bezüge auf den christlichen Auftrag finden lassen, dass der Hass auf Juden durch den Apostel Paulus und Martin Luther, höchst religiöse Menschen, bereits weit verbreitet war. Aber das alles ist im Grunde gar nicht so wichtig. Denn es spielt keinerlei Rolle, ob jemand zum Zeitpunkt seines Handelns Atheist ist oder nicht. Sondern ob die ausschlaggebenden Motive auf dem Atheismus beruhen. Und diese Frage ist ganz direkt zu verneinen. Denn wie sollen die fehlenden Inhalte des Atheismus verantwortlich sein? Man könnte auch die Frage provokativer und damit eindeutiger stellen: Welche Inhalte des Atheismus waren verantwortlich? Die Frage beantwortet sich von selbst.

Bezeichnend ist, wie wenig durchdacht der Vorwurf ist. Nehmen wir mal an, Hitler wäre Atheist gewesen. Wäre dies ein Beweis dafür, dass der Atheismus solch ein Übel hervorbringt? Nach der gleichen Logik müsste bei jedem Vergewaltiger, welcher der Katholischen Kirche angehört, der Grund für die Vergewaltigung in der christlichen Lehre gesucht werden.
Noch einmal in aller Deutlichkeit: Es spielt keine Rolle, welcher Ideologie, welchem Glauben oder Unglauben jemand anhängt. Wichtig ist einzig und allein, ob die Motivation für die Handlung im Glauben oder der Ideologie begründet liegt. Das lässt sich bei etwas Inhaltsleerem wie dem Atheismus nur sehr schwer und höchstens mit einer dicken Portion Unwissen oder bösartiger Ignoranz bewerkstelligen.

Eigentlich läuft es immer wieder auf das Gleiche hinaus – Der Atheismus ist inhaltsfrei, komplett wertfrei. Eine perfekte Vorlage für jeden Gläubigen, der im Atheismus Anarchie, Mord und Todschlag befürchtet:


„Im Atheismus ist ohne Gott doch alles erlaubt!“

Stimmt das? Gibt es keine Grenzen? Bevor ich diesen irrigen Gedanken richtig stelle, möchte ich kurz auf die Dreistigkeit dieser Unterstellung eingehen. Schaut man sich die Geschichte des Monotheismus an, so scheint es doch viel eher so, dass gerade mit Gott so ziemlich alles erlaubt ist. Kriege, Hinrichtungen, das Verbrennen von Frauen aufgrund ihrer Haarfarbe, Vergewaltigungen, das Abhacken von Körperteilen, Kindsmorde, Menschenopfer, Sklavenhaltung, das Verbieten von lebensrettenden Medikamenten, Diskriminierung von Homosexuellen, Hetze, Beschimpfung und schließlich Mord an Ärzten, welche Abtreibungen durchführten, sogar das Ermorden von Menschen aufgrund von gezeichneten Comics ist mit Gott an der Seite gestattet. Ganz im Sinne des „Deus lo vult“ der Kreuzzüge. Gott will es.

Atheismus - Frei von jeglicher Moral?
Aber zurück zu dem Vorwurf, im Atheismus sei alles erlaubt. Wer einem Atheisten abspricht, ein vernünftiger Mensch zu sein, welcher ethische Prinzipien hat, sich an die Gesetze der Gesellschaft hält und die Menschenrechte als Basis für ein annehmbares Miteinander ansieht, der dürfte tatsächlich so denken. Tut man das jedoch nicht, sondern gesteht einem Atheisten ein, Vernunft zu besitzen, möglicherweise an die Ethik als ehrenwertes Leitbild zu vertreten, der würde kaum ernsthaft eine derartige Position verteidigen können. Tatsächlich ist es erfahrungsgemäß so, dass dieser Vorwurf in den seltensten Fällen wirklich ernst gemeint ist, sondern kaum mehr als eine stupide Diffamierung darstellt, getätigt mit der Absicht, den Atheismus als etwas Verwerfliches zu brandmarken.
Wie im vorangegangenen Vorwurf kann dieser nur durch Unwissen oder Ignoranz getätigt werden. Denn auch hier zeigt sich, dass es ein gnadenloser Fehlschluss wäre davon auszugehen, ein Atheist identifiziere sich einzig und allein mit dem Atheismus. Erneut wird deutlich, wie unvergleichbar Atheismus und Monotheismus sind, da in letzterem eine derartige Identifizierung absolut Sinn ergeben würde, aber bei ersterem? Keinesfalls.

Jedoch gibt es tatsächlich diverse Dinge, die einem Atheisten erlaubt sind, wo jedoch der Gläubige an Grenzen stoßen mag. Ein Atheist darf Schweinefleisch essen, so viel er will und wann immer er will, ein Atheist darf am Ramadan essen und trinken, so viel er will, wann er will und ein Atheist muss nicht mit dem Gedanken leben, ein sündhafter und durchweg verdorbener Mensch zu sein, welcher einzig und allein durch die telepathische Annahme eines vor 2000 Jahren gestorbenen Juden gerettet werden kann.
Insofern, ja, einem Atheisten sind dank der Befreiung der Gottesidee weniger Grenzen gesetzt und mehr Freiheiten gestattet. Aber diese Freiheit mag auch einen negativen Charakter haben, wie der letzte Vorwurf zeigt:


„Ohne Gott ist das Leben doch sinnlos. Ein Atheist hat keinen Sinn im Leben!“

Dieser Vorwurf ist der mit Abstand unüberlegteste, gehässigste, dreisteste und außerdem ist er an Impertinenz kaum zu überbieten.
Die Tatsache, dass viele Gläubige sich außer Stande sehen, einen Sinn im Leben ohne die Abhängigkeit an einen Gott zu finden ist bei weitem keine Berechtigung, eben diesen den anderen Menschen abzusprechen. Jedoch möchte ich im Detail nicht zu sehr darauf eingehen.
Tatsächlich muss man als Atheist das Eingeständnis machen, dass der Atheismus keinen Sinn für das Leben liefert. Aber ist das ein Problem?
Das ist mitnichten der Fall. Denn aus der Tatsache, dass der Atheismus keinerlei Sinn für ein Leben liefert, resultiert eine ungeheure Freiheit und ebenso die große Verantwortung, sich eigenständig Gedanken zu machen und ohne Zwang einen persönlichen Sinn für das eigene Leben zu finden. Ich habe jedoch vollstes Verständnis dafür, dass diese Freiheit sowie Verantwortung für nicht wenige Menschen eine ungeheure Last darstellen und es als angenehmer empfunden wird, von beidem befreit zu sein (dieses „Dilemma“ beschrieb Hannah Arendt eindrucksvoll in ihrem Buch über Adolf Eichmanns Prozess in Jerusalem, in dem sie unter anderem herausarbeitete, wie Herr Eichmann eine ganz persönliche Art von Freiheit dadurch erlebte, dass er in einer Befehlskette klar Anweisungen zu befolgen hatte).
Aber man sollte davon absehen, die eigene (wohl in den meisten Fällen religiös bedingte) Abhängigkeit von der „Vorgabe des Sinns und Abnahme der Verantwortung“ insofern als allgemein gültig zu erklären, dass ein jeder Mensch unter der Knute der Abhängigkeit steht oder zumindest zu stehen habe.

Für mich persönlich ist genau dieser Sachverhalt ein großer „Sinn im Atheismus“. Insofern wird mein eigener Atheismus mit etwas gefüllt, er bleibt kein „leeres Nichts“. Und das ist nicht der einzige Umstand, welcher ihm Inhalt verleiht, es gibt noch mehr.
Als Bereicherung habe ich ebenfalls das Erkennen der Tatsache empfunden, dass mit allergrößter Wahrscheinlichkeit sämtliche Gottesbilder sowieso deren Schriften und die darin enthaltenen Anweisungen besonders in Bezug auf Ethik und Moral rein menschlich erdacht sind. Das bedeutet, dass es meine Freiheit und Verantwortung (wieder diese beiden Komponenten, sie können meiner Meinung nach niemals gesondert voneinander stehen) ist, eben diese Inhalte zu hinterfragen, sobald ich damit in Kontakt trete. Und zwar gänzlich unabhängig von einer göttlichen Verfasserautorität, welche möglicherweise Kritik oder Ablehnung mit Strafe ahnden würde. Eine Hinterfragung auf rein ethischer Basis, das heißt nur unter Berücksichtigung der Interessen derjenigen Personen, die beteiligt sind, kann in einem Theismus auf keinen Fall stattfinden, da die göttliche Komponente nun einmal Erwähnung finden muss, wie ich weiter oben darlegte.
Als es um den Einwand ging, im Atheismus finde sich keine Moral oder Ethik, stellte ich die Behauptung auf, dies sei ein furchtbares Armutszeugnis für den Fragesteller. Darauf möchte ich noch kurz eingehen. Schon oft hörte ich, wie gesagt wurde, unsere gesellschaftlichen Werte gingen auf Jesus und die 10 Gebote zurück. Und schon oft hörte ich in persönlichen Gesprächen, man würde seine moralischen Vorstellungen aus der Bibel oder dem Koran ziehen. Ganz im Ernst? Gibt es keine andere Quelle? Bedeutet es, man wäre ohne heilige Schrift komplett hilflos und wüsste nicht, dass es falsch ist, einen anderen Menschen zu ermorden? Und dass es falsch ist, zu stehlen?  Und wie lebten die Menschen vor den 10 Geboten? Hatten sie etwa nicht gewusst, was in Ordnung und was falsch wäre (tatsächlich zogen die Israeliten laut der Bibel mordend und plündern durch die Lande, jedoch taten sie dies eher durch göttliche Gebote und nicht trotz göttlicher Gebote…)?
Wer zugibt, solch heilige Schriften als Leitfaden für moralisches Handeln zu benötigen (und kaum etwas anderes ist die Frage nach der Quelle für moralisches Handeln beim Atheisten) zeigt doch, im Kern ein unmündiges Lebewesen zu sein, welches mit der bereits angesprochenen Freiheit und der damit einhergehenden Verantwortung kaum umzugehen weiß.

Atheismus - Die Freiheit, selbst Inhalte zu finden

Mein persönlicher Atheismus bedeutet, aus dem Theismus zu lernen. Zu erkennen, dass im Theismus keine ethische Basis herrscht. Zu erkennen, dass ein Hinterfragen kaum möglich und, noch schlimmer, kaum erlaubt ist. Und zu erkennen, dass es in meiner Verantwortung liegt, mit der mir eigenen Freiheit sinnvoll etwas anzufangen.
Erkenntnisse, die für mich ohne das Verstehen des Atheismus verborgen geblieben wären.


Wie eingangs erwähnt war mein Vorhaben darzulegen, was der Atheismus überhaupt ist, was es mit den wohl am meisten verbreiteten Vorwürfen auf sich hat und was meine ganz persönlichen Konsequenzen aus dem Atheismus sind.
Ich hoffe, dass mir das einigermaßen gelungen ist. Falls es Gegenstimmen wider dem gibt, was ich schreibe, würde ich mich freuen, mich mit diesen auseinandersetzen zu dürfen. Denn ich bin Atheist – und ich darf das.

Montag, 9. Juli 2012

Der protestantische Theologe Paul Tillich sagte einmal, Religion sei, was uns unbedingt angehe. Recht scheint er damit zu haben.
Religiös geprägte Themen finden sich fast täglich in den Nachrichten. Seien es religiöse Bombenattentate, religiöse Hinrichtungen oder Entführungen, religiös bedingte Kriege. Aber sogar im scheinbar Kleineren scheint es eine Rolle zu spielen.

Themen wie Abtreibung, Präimplantationsdiagnostik (PID), Erziehung, Schulunterricht oder die zum Zeitpunkt des Schreibens so kontrovers diskutierte religiöse Beschneidung von kleinen Jungen tauchen immer wieder auf.



Schon von klein auf spielte Religion in unserem Leben eine Rolle. Nachdem unsere Kindheit und Jugend stark von biblischen Lehren geprägt war, haben wir uns in den vergangenen Jahren intensiver mit religiösen Themen beschäftigt.

Gedacht ist dieser noch sehr kleine und bescheidene Blog als wachsende Sammlung von persönlichen Analysen, Gedankengängen und Hinterfragungen zweier Brüder zum Thema Religion. Aufgrund unserer eigenen Erlebnisse konzentrieren wir uns dabei vorwiegend auf das Christentum bzw. die Bibel.

Bei unseren Aufsätzen versuchen wir, durch logische Argumentationen und Schlußfolgerungen unsere Gedanken darzulegen. Feedback ist dabei immer willkommen.

Freitag, 29. Juni 2012

Jesus, eine ethische Instanz?



„Christliche Werte“.
Was verbindet man damit? In der Politik hierzulande gilt „christlich“ oftmals als Synonym für „humanistisch“. Warum man „christlich“ und nicht „humanistisch“ sagt, sollte man die Leute fragen, die glauben, es sei tatsächlich synonym zu gebrauchen.

Wie dem auch sei, als erstes wird man ganz automatisch mit „christlich“ ein sozial angebrachtes Verhalten assoziieren. Was im Grunde auch nachvollziehbar ist. Immerhin schreibt sich das moderne Christentum einen wichtigen sozialen Grundsatz (wenn nicht sogar den Grundsatz schlechthin) auf die Fahne, nämlich seine Mitmenschen auf eine Art zu behandeln, wie man selbst wünscht behandelt zu werden. Zwar haben schon Jahrhunderte vor dem biblischen Jesus Philosophen (und im asiatischen Raum weitere Gelehrte) genau diesen Grundsatz  aufgeschrieben (und somit gezeigt, dass er nicht auf göttlicher Weisheit basiert, sondern in höchstem Maße menschlich ist), aber das soll vorerst am Rande stehen.
„Christliche Werte“. Diese Formulierung geht natürlich auf den „Christus“, auf „Jesus Christus“ zurück. Die Frage, die sich daraus ableitet ist, ob die „christlichen Werte“ es sich tatsächlich verdient haben, als Synonym für humanistische Werte zu gelten und ob daher Jesus eine ethische Instanz darstellt, der es sich nachzufolgen lohnt.
Waren die Werte und allgemeine Vorstellungen, die Jesus geprägt haben soll, tatsächlich humanistisch bzw. haben sie Vorbildcharakter in einer aufgeklärten Gesellschaft?
Dass sich keinerlei historische Belege für den biblischen Jesus finden lassen und seine gesamte Existenz auf Schriften berufen, die viele Jahrzehnte nach seinem (angeblichen) Tod in widersprüchlicher Form aufgeschrieben wurden, sollte dabei erst einmal außer Acht gelassen werden.
Mal angenommen, es habe ihn tatsächlich gegeben…

Beginnen wir mit dem eingangs erwähnten Grundsatz, der wohl der bekannteste der gesamten Bibel ist:
„Alles nun, was ihr wollt, daß euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch.“
sagt Jesus laut Luther in Matthäus 7:12.
Ist nun Jesus für diese „Idee“ zu loben? Fraglich. Ca. 400 Jahre vor Christus hat schon Epikur einen solchen Grundsatz formuliert.
Und Jahrhunderte vor diesem galt z. B. im Buddhismus eine ganz ähnliche Weisheit, die da lautet:
„Was für mich eine unliebe und unangenehme Sache ist, das ist auch für den anderen eine unliebe und unangenehme Sache. Was da für mich eine unliebe und unangenehme Sache ist, wie könnte ich das einem anderen aufladen?“
Man könnte die Aufzählung noch um einige weitere kluge Menschen erweitern, wie um Isokrates, der ebenfalls Jahrhunderte vor dem biblischen Jesus lebte:
Tut anderen Menschen nicht an, worüber ihr empört wäret, wenn ihr es selbst erfahren müßtet. Was immer ihr mit Worten verurteilt, dies setzt auch niemals in die Tat um.“

Auf der Hand liegt, dass Jesus nicht der Erfinder dieser „Weisheit“ war. Wie auch? Würde man eben das vermuten, stellte man den Menschen der damaligen Zeit ein furchtbares Armutszeugnis aus. Denn das würde bedeuten, sie hätten vor dem Auftreten des jüdischen Zimmermannes nie Empathieregungen gefühlt und sich wie a-soziale Barbaren aufgeführt.
Eine bereits geläufige und seit Jahrhunderten weit verbreitete Grundeinstellung einfach zu wiederholen, ist nun wirklich kein Kunststück.
Diesen Wert als einen „christlichen“ zu bezeichnen, ist ganz und gar absurd. Das zu behaupten wäre vergleichbar mit der Behauptung, Ikea habe die Möbel erfunden.

Ähnlich absurd mutet ein weiterer Ausspruch des Jesus an, der einige Kapitel zuvor aufgeschrieben wurde.
In Matthäus 5:27, 28 heißt es:
„Ihr habt gehört, daß zu den Alten gesagt ist: "Du sollst nicht ehebrechen."  Ich aber sage euch: Wer ein Weib ansieht, ihrer zu begehren, der hat schon mit ihr die Ehe gebrochen in seinem Herzen.“
Man könnte sich natürlich nun in Exegese versuchen und den Text interpretieren, sodass man etwas liest, was dort einfach nicht steht.

Tatsächlich predigt Jesus hier ganz ausdrücklich die Gedankenverbrechen.
Die Aussage der „Alten“ in diesen Versen macht im Grunde Sinn – Brich nicht die Ehe. Die Ehe ist ein Versprechen, dieses Versprechen zu brechen ist ein Vertrauensbruch und natürlich aus moralischer Sicht verwerflich. Und eben das reicht doch aus (ganz davon abgesehen, dass niemanden ein Ehebruch etwas anzugehen hat, außer die daran Beteiligten). Jesus aber geht einen Schritt weiter und kriminalisiert die Gedanken der Menschen. Das Perfide daran ist, dass ein Mensch seine Gedanken nicht steuern kann. Zwar ist man rein objektiv für seine Taten verantwortlich, aber für seine Gedanken?
Das Resultat aus Jesu gepredigten Gedankenverbrechen ist eine „Nonstop-Sünderrolle“. „Denke nichts Schlechtes!“ umformuliert – „Denke nicht an lila Elefanten!“ und an was denkt der Zuhörer? Richtig, genau an das, woran er nicht denken sollte. So frei sind die Gedanken…

Der biblische Jesus - ein Vorbild in Sachen Ethik?
George Orwell griff das Thema „Gedankenverbrechen“ in seinem Roman 1984 auf. Der Protagonist des Buches bringt es ernüchternd auf den Punkt: „Gedankenverbrechen zieht nicht den Tod nach sich, Gedankenverbrechen ist der Tod.“

„Jesus wollte doch nur was ganz anderes ausdrücken“, könnte man sagen, „nämlich, dass man auf seine Gedanken achten sollte, da aus ihnen die Handlungen hervorgehen!“.
Nur steht das dort nicht. Wie schon erwähnt, man kann den Text uminterpretieren, nur leider hat das zum Ziel, etwas im Text zu lesen, was der Text nicht sagt.

Sokrates sagte im totalen Gegensatz, ebenfalls einige Jahrhunderte vor Jesus, „Folge dem Argument, wohin es auch führt.“. Sicherlich war der Kontext ein anderer und Sokrates wollte auch in eine andere Richtung weisen, nämlich den vernünftigen Argumenten zu folgen, quasi die Rationalität zu ehren, aber der Gegensatz ist dennoch auffällig. Auf der einen Seite der jüdische Zimmermann, der Gedanken verurteilt, sie sogar mit der Tat auf eine Stufe stellt (somit wäre der Gedanke so schlimm wie die Tat, selbst wenn dadurch überhaupt niemand in Mitleidenschaft gezogen würde. Das wiederum zeigt direkt, dass Jesus überhaupt nicht an die Person dachte, die möglicherweise Schaden nehmen würde). Auf der anderen Seite steht der griechische Philosoph, der genau das Gegenteil lehrte, nämlich dem Gedanken bzw. dem Argument zu folgen, und somit eine Sache zu Ende zu denken und sich demnach über Sinn und Unsinn der Sache vernünftig zu vergewissern.

Diese Gegenargumentation gegen das von Jesus gelehrte Gedankenverbrechen mag ein wenig überzogen klingen. Behält man jedoch im Hinterkopf, dass aus diversen Texten hervorgeht, dass Gott die Herzen und Gedanken der Menschen kennt (besonders im AT scheint dies Betonung zu finden), wird Jesu Anmerkung doch schon in ein anderes Licht gerückt, da sich in diesem Kontext noch die Überwachung zeigt, die laut Bibel den Menschen gilt. Gott sieht alles, Gott sieht deine Gedanken. Somit wird jedes „Gedankenverbrechen“ direkt von eben diesem Gott wahrgenommen. Eine Sünderrolle, die dem Menschen aufgedrängt wird. Nonstop.
Eine sehr bedenkliche Gesinnung, die der biblische Jesus hier vertritt.
Nicht zuletzt darum, weil sie dazu beitrug, dem Menschen die unglaublich starke Bürde der Selbstverachtung aufzuladen. Der Mensch sei schlecht, schlicht weil er Mensch sei. Seine Schlechtigkeit sitzt schon in den Gedanken. Jesus setzte dem seinen Stempel auf.

Es gibt in den Evangelien 3 Begebenheiten, die sehr schön eine gewisse Charaktereigenschaft Jesu verdeutlichen.
Die erste Begebenheit ist nachzulesen in Markus 11: 12-14, 20, 21:
„Und des anderen Tages, da sie von Bethanien gingen, hungerte ihn. Und er sah einen Feigenbaum von ferne, der Blätter hatte; da trat er hinzu, ob er etwas darauf fände, und da er hinzukam, fand er nichts denn nur Blätter, denn es war noch nicht Zeit, daß Feigen sein sollten. Und Jesus antwortete und sprach zu ihm: Nun esse von dir niemand ewiglich! Und seine Jünger hörten das. (…)  Und am Morgen gingen sie vorüber und sahen den Feigenbaum, daß er verdorrt war bis auf die Wurzel. Und Petrus gedachte daran und sprach zu ihm: Rabbi, siehe, der Feigenbaum, den du verflucht hast, ist verdorrt.“
Jesus verfluchte einen Feigenbaum aus Enttäuschung oder Wut, dass er keine Früchte für ihn trug. Dieser starb ab und verdorrte.

Die zweite Begebenheit wurde in Matthäus 8: 30-34 festgehalten:
„Es war aber ferne von ihnen ein große Herde Säue auf der Weide. Da baten ihn die Teufel und sprachen: Willst du uns austreiben, so erlaube uns, in die Herde Säue zu fahren. Und er sprach: Fahret hin! Da fuhren sie aus und in die Herde Säue. Und siehe, die ganze Herde Säue stürzte sich von dem Abhang ins Meer und ersoffen im Wasser.
Und die Hirten flohen und gingen hin in die Stadt und sagten das alles und wie es mit den Besessenen ergangen war. Und siehe, da ging die ganze Stadt heraus Jesu entgegen. Und da sie ihn sahen, baten sie ihn, daß er aus ihrer Gegend weichen wollte.“
Hier trieb Jesus Dämonen aus und schickte sie auf ihr Bitten hin in eine Herde Schweine, welche er damit zum Tode verdammte. Die Hirten der Herde konnten nur zusehen, wie ihre Tiere in den Tod getrieben wurden. Nicht verwunderlich, dass die Menschen Jesus daraufhin nicht um sich haben wollten.

Die letzte Begebenheit schließlich gehört zu den bekanntesten Geschichten Jesu überhaupt. Es ist die Begebenheit, in welcher Jesus die Händler aus dem Tempel vertrieb:
„Und er machte eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle zum Tempel hinaus samt den Schafen und Ochsen und verschüttete den Wechslern das Geld und stieß die Tische um und sprach zu denen, die die Tauben feil hatten: tragt das von dannen und macht nicht meines Vaters Haus zum Kaufhause! Seine Jünger aber gedachten daran, daß geschrieben steht: Der Eifer um dein Haus hat mich gefressen.“
(Johannes 2: 15-17)“
Hier beschädigte und zerstörte Jesus aus Wut heraus das Eigentum von Händlern, die seiner Ansicht nach ein Sakrileg begingen.

In allen drei Situationen zeigte sich eine Eigenschaft des biblischen Jesus ganz besonders: Seine Missachtung bzw. Geringschätzung von fremdem Eigentum und damit vor den Eigentümern. Zuerst lies er einen Baum verdorren, weil der keine Früchte trug, und das zu einer Zeit, zu welcher der Baum überhaupt noch keine Früchte tragen konnte (man könnte nun sagen, dass Jesus schlichtweg dumm war. Schließlich geht kein vernünftiger Mensch im Winter auf ein Erdbeerfeld und ist enttäuscht, keine Früchte zu finden). Von Respekt gegenüber der Schöpfung, von dem Bewundern der Schönheit eines Feigenbaumes (immerhin war der Schaffer und Gestalter dieses Baumes sein Vater direkt, oder – wenn man der katholischen Lehre Glauben schenkt - er selbst), davon ist keine Spur (dass es womöglich einen Besitzer gab, dem Jesus mit dieser spontanen Trotzreaktion Schaden zufügte, wird nicht einmal beachtet). Stattdessen trotziges Zerstören: "Ich krieg' keine Früchte? Dann soll keiner Früchte kriegen!".
Im zweiten Beispiel wird eben das noch um einiges deutlicher. Jesus schickt eine gesamte Schweineherde direkt zum Teufel. Warum? Aus Gefälligkeit den Dämonen gegenüber? Dass auch eben diese Schweine wahrscheinlich einen Besitzer hatten, wird wieder von ihm außer Acht gelassen. Zumindest schien Jesus sich nicht wirklich darum zu kümmern, dass die Tiere erstens für einen seiner Mitmenschen von Bedeutung waren und zweitens die Tiere selbst lebende, fühlende, Schmerz empfindende Wesen waren, die er mit seiner Handlung in den Tod trieb. Die Mitmenschen jedenfalls quittierten ihm seine Aktion damit, dass sie ihn fortschickten. Würde jemand in meinen Vorgarten tapsen und mutwillig mein Eigentum zerstören, und meine Haustiere massakrieren, würde ich wohl ebenso handeln.

Liebe predigen, Gewalt anwenden?
Kein glücklicher Spagat

Am deutlichsten wird es jedoch am dritten Beispiel, am Heraustreiben der Händler. Zuerst einmal ist interessant, woher Jesus überhaupt die Legitimation nahm, um einzugreifen. Er hielt sich selbst für den Sohn Gottes. Das erlaube ihm, Gewalt gegen seine Mitmenschen anzuwenden. Dass sein Vorgehen im direkten Widerspruch zur Goldenen Regel steht, er somit absolut unglaubwürdig agiert und sich nicht einmal an seine eigenen Vorgaben halten kann, daran dachte er in diesem Moment wohl nicht. Mit dieser „göttlichen Erlaubnis“ nun griff er die Menschen an, schlug sie, stieß ihre Stände um. Sogar verscheuchte er die Tiere. Heutzutage würden diese Aktionen wohl strafrechtlich verfolgt werden, immerhin handelte es sich um Sachbeschädigung und tätlichen Angriff.

Jesus schien dabei wohl vergessen zu haben, dass diese Händler für viele Menschen überhaupt erst die Möglichkeit eröffneten, die in der Religionsausübung geforderten Opfer darzubringen. Sei es, dass sie die makellosen Tiere anboten, die zu den Opfern zugelassen waren oder aber die entsprechenden Gelder wechselten. Das Entlarvende an dieser Geschichte ist aber nicht, dass er das nicht bedachte oder wütend darüber war. Sondern es ist ganz klar Jesu Anwendung von Gewalt. Viel einleuchtender wäre es gewesen, hätte Jesus mit den Leuten gesprochen, mit ihnen geredet, Argumente gebracht, die Menschen überzeugt, dass das, was sie tun, nicht rechtens ist. Immerhin wird in den Evangelien immer wieder behauptet, Jesus sei ein großer Lehrer, ein großer Redner. Doch davon ist hier keine Spur. Entgegen seiner eigenen Predigten und entgegen dem, was er von seinen Mitmenschen verlangte, wurde er handgreiflich. Mal ganz von der Wahrscheinlichkeit abgesehen, dass nach seinem Ausraster die Händler wohl wieder ankamen und weiter machten wie vorher.

Allgemein zeigen diese drei Begebenheiten deutlich, wie wenig Respekt Jesus mitunter vor dem Eigentum seiner Mitmenschen bzw. überhaupt vor den Mitmenschen hatte. Natürlich war das nicht durchweg der Fall. Natürlich gab es auch Begebenheiten, in denen er sich liebevoll, rücksichtsvoll, respektvoll verhielt. Nur gibt es auch die andere Seite. Und die ist nicht wegzureden.

Jesu Legitimation zur Gewaltanwendung bei seinem „Tempelausrutscher“ war, dass er „das Haus seines Vaters“ säubern wollte. Sich selbst als Gottes Sohn darzustellen mag man als Zeichen eines Größenwahns ansehen. Getoppt wird dieser Wahn noch von einer ganz anderen Vorstellung Jesu. Gemäß seiner eigenen Ansicht sei er zur Welt gekommen, um sein Leben als Lösegeld zu geben. Kompakt ausgedrückt soll durch seinen Opfertod die Menschheit von der Sünde befreit sein, durch ihn würden die Sünden vergeben werden, sodass sie Erlösung finden möge. Diese Wahnvorstellung ist an Größenwahn, Arroganz und Respektlosigkeit kaum zu überbieten.
Eben dieses Thema spricht auch Christopher Hitchens in seinem Buch „Der Herr ist kein Hirte“ an. Dort zitiert er C. S. Lewis aus seinem Buch Pardon, ich bin Christ mit folgenden Worten:
„Diese Behauptung ist wirklich so ungeheuerlich, dass sie komisch wirken muss, solange sie nicht von Gott selbst kommt. Wir alle wissen, wie ein Mensch ihm angetanes Unrecht vergibt. Jemand tritt mir auf den Fuß, und ich verzeihe ihm; jemand stiehlt mir mein Geld, und ich verzeihe ihm. Was aber würden wir von einem Menschen halten, der – selber unberaubt und unbehelligt – verkündet, er vergebe allen, die anderen Leuten auf die Füße treten und anderer Leute Geld stehlen? Eselsdumme Albernheit wäre noch die zarteste Umschreibung für ein derartiges Verhalten.
Jesu Opfer hinterfragt
Und doch hat Jesus eben dies getan. Er sagte den Menschen, ihre Sünden seien ihnen vergeben, ohne erst alle die anderen zu fragen, denen sie mit ihren Sünden unrecht getan hatten. Er verhielt sich einfach so, als sei er der am meisten Betroffene, als sei er derjenige, demgegenüber man sich am meisten vergangen habe.“
Das bringt es ziemlich genau auf den Punkt. Jesus übergeht alle Leute, denen Schaden zugefügt wurde. Er nimmt sich das Recht heraus, in ihrem Namen Sünden vergeben zu dürfen. Das ist sicherlich nicht die Einstellung eines Menschen, der hohe ethische Standards lehren sollte. Denn er übergeht ganz direkt eine ethische Basis, nämlich die Konfliktregelung zwischen den Beteiligten.
Das mag sicherlich für die Leute angenehm klingen, die sich selbst als Sünder sehen und glauben, sie haben Sünden aufgehäuft, die ihnen vergeben werden müssten. Und wie weiter oben dargelegt wurde, legte Jesus selbst die Grundlage dafür, dass ein jeder sich als Sünder sehen sollte. Tatsächlich brauchbar war sein Wahn von der universellen Sündenvergebung keinesfalls. Denn wie soll das praktisch aussehen? Ist eine Schuld durch ihn vergeben? Wird jede Schuld durch Jesus vergeben? Eine nahe liegende Schlussfolgerung, die nicht nur in den Gräueltaten während der Kreuzzüge Anwendung fand. Die Absolution Jesu Christi ist eine Logik, die in unserem heutigen gesellschaftlichen Verständnis keineswegs förderlich ist. Eine von ihm gepredigte Sündenvergebung ist in der Rechtssprechung absolut unbrauchbar. Denn das wäre grundlegend unethisch, da die Interessen der Beteiligten keinerlei Berücksichtigung finden, sondern ein gänzlich Unbeteiligter sich das Recht herausnimmt, jegliche Schuld zu vergeben.
Auch hier zeigt ganz klar, dass Jesu Vorbild als ethische Leitlinie kläglich versagt.

Oft wird Jesus zugute gehalten, dass er diverse als barbarisch anmutende Gesetze des Alten Testaments abschaffte (z. B. angeordnete Hexenermordung, Anleitungen zum Verkauf der Tochter, Anleitungen zur Sklavenhaltung usw.) durch ein 'neues Gebot'. Als Begründung wird gern ein bestimmter Bibelvers genannt:
Johannes 13:34
„Ein neues Gebot gebe ich euch, daß ihr euch untereinander liebet, wie ich euch geliebt habe, auf daß auch ihr einander liebhabet.“
Zuerst einmal ist zu sagen, das Jesus an dieser Stelle überaus überheblich redet. Seine Liebe setzt er selbst als Maßstab für die Liebe seiner Nachfolger. Das ist ungefähr so demütig wie Moses Ausspruch, er sei der Demütigste unter allen Menschen gewesen (genau in diesem Punkt zeigt sich Jesu Überheblichkeit auch an anderer Stelle, wenn er in Matthäus 11:29 sagt, er sei von Herzen demütig. Demut zeigt sich nicht gerade dadurch, dass man es von sich behauptet, das macht eher genau das Gegenteil deutlich).
Darüber hinaus äußert Jesus hier nicht den Wunsch, dass sich seine Nachfolger liebevoll verhalten würden. Er trägt es auch nicht als persönliches Anliegen vor. Sondern wieder einmal spricht Jesus von einem Gebot. Das Gebot zu lieben ist in jedem Fall absurd. Denn jedem Menschen wird einleuchten, dass man eben solche Gefühle kaum erzwingen kann.

Nun, in jedem Fall ist der Vers aus Johannes 13 keinesfalls eine Ablösung der bereits bestehenden Gesetze, auch wenn es danach klingen mag. Diese großartige Chance, etwas wirklich Gutes zu tun, indem man ein bestehendes Übel verringert, hat Jesus direkt vertan. Er sprach sich sogar explizit dagegen aus, dass die bereits bestehenden Gesetze geändert oder sogar aufgelöst werden würden.
In Matthäus 5:17-19 verkündet er:
„Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen, aufzulösen, sondern zu erfüllen. Denn ich sage euch wahrlich: Bis daß Himmel und Erde zergehe, wird nicht zergehen der kleinste Buchstabe noch ein Tüttel vom Gesetz, bis daß es alles geschehe. Wer nun eines von diesen kleinsten Geboten auflöst und lehrt die Leute also, der wird der Kleinste heißen im Himmelreich; wer es aber tut und lehrt, der wird groß heißen im Himmelreich.“
Somit legt Jesus ausdrücklich Wert auf die Gesetze, die u. a. zig Tausend Menschen während der Inquisition das Leben kosteten. Die Hexenverbrennungen waren somit rechtfertigt durch Jesu Anspruch, die alten Gesetze müssen gewahrt bleiben (So wird in 2. Mose 22:17 klar gesagt, dass Hexen zu ermorden sind). Der Sklavenhandel, der in Europa und besonders Amerika sogar bis spät ins 19. Jahrhundert dauerte und florierte, war offensichtlich christlich rechtfertigt (u. a. in 3.Mose finden sich diverse Gesetze zum Thema Sklavenhaltung). Schließlich war Sklaverei im Einklang mit Jesu Worten, dass das Gesetz nicht vergehe. Mehr noch, er stellt für die Einhaltung dessen sogar eine besondere Belohnung im Himmelreich in Aussicht (was für jeden halbwegs Vernunftbegabten ein Albtraum wäre, da laut Jesus nur die in sein Himmelreich kämen, die im Geiste arm seien, aber nun gut…). Mit anderen Worten stellt Jesus hier auf die Missachtung der Menschenwürde eine Belohnung aus. Gerade in diesem Punkt scheinen sich Steven Weinbergs Worte zu erfüllen, nämlich dass es der Religion bedarf, damit gute Menschen Böses tun.
Wieder zeigt sich deutlich, dass Jesus als ethische Richtlinie nicht nur unbrauchbar, sondern direkt antihuman ist.

Jedoch gibt es eine Sache, die man Jesus scheinbar anrechnen darf. Sein Umgang mit Frauen war, schenkt man der Bibel Glauben, im Kontext der Zeit bemerkenswert. Während einer seiner glühendsten Fans, der spätere Apostel Paulus, Frauen direkt verdammte, beschimpfte, diskriminierte und ihnen das Sprechen bei Versammlungen verbat, unterhielt sich Jesus mit ihnen, belehrte sie, heilte sie (und für sie), lies sich von ihnen die Füße waschen… Na gut, das Letzte sollte vielleicht in solch einer Aufzählung lieber gestrichen werden. Sich von einer Frau die Füße waschen zu lassen bzw. ihr die Erlaubnis dessen geben, ist nun wirklich kein Indiz für einen besonders respektvollen Umgang, im Gegenteil, es als Privileg zu behandeln scheint doch ziemlich selbstverherrlichend.

Zwei Dinge sind hierbei auffällig. Das erste wäre das, was im vorherigen Abschnitt bereits angesprochen wurde. Trotz seines Verhaltens gegenüber Frauen stand Jesus laut eigenen Worten ganz klar zu den alten Gesetzen, die Frauen nicht unbedingt würdigten. Schaut man sich das Alte Testament mit seinen frauenfeindlichen Inhalten an, wird klar, dass die Frau dem Mann eher als Besitzobjekt zustand, mit welchem er nach Belieben verfahren könne. Jesus grenzte sich von diesen Inhalten nicht ab. Er verurteile nicht die Frauenfeindlichkeit, noch lebte er sie aus (was vielleicht auch daran lag, dass er gemäß der Bibel keine Ehefrau „besaß“). Eindeutige Aussagen zu diesem Thema sucht man jedoch vergebens. Auch in diesem Punkt hat Jesus die einzigartige Chance vertan, ein bestehendes Übel zu verringern. Mag sein, dass durch sein Beispiel sich einige angespornt fühlten, ihren Umgang mit Frauen zu überdenken, wobei das eine pure Spekulation ist. Zum einen ist das ein außerordentliches Armutszeugnis für diejenigen, die erst ein Vorbild brauchen, um Mitmenschen tatsächlich als Menschen anzuerkennen. Zum anderen bleibt die Frage, warum Jesus sich nicht ausdrücklich äußerte. Man kann darüber nun spekulieren und vermuten, am Ende steht jedoch weiterhin die Tatsache, dass brauchbare Äußerungen in diese spezielle Richtung fehlen. Umso trauriger ist es, wenn sein bereits erwähnter Nachfolger Paulus ganz im Stil und im Einklang mit dem Alten Testament wiederum gegen Frauen wetterte. Dass dieser Ton noch heute im Christentum verbreitet ist, ist umso aussagekräftiger. Falls es tatsächlich Jesu Intention gewesen sein sollte, Frauen in einem höheren Maß zu wertschätzen (obwohl das wider seiner Aussage stünde, die alten Gesetze aufrechtzuerhalten, zu denen die menschenunwürdige Behandlung von Frauen gehört), muss ganz deutlich gesagt werden, dass er auch hier voll und ganz versagte. Deutliche Aussagen und Klarstellungen hätten dem vermutlich abgeholfen, jedoch scheint das Thema für den biblischen Jesus nicht annähernd so wichtig gewesen zu sein, als dass er seine Mitmenschen darüber unterrichtete.

Im Hinterkopf sollte man jedoch behalten, dass Jesus keine Anstalten machte, sich von Frauen bedienen zu lassen. Sei es die bereits erwähnte Szene, in welcher er einer Frau gestattete, ihm die Füße zu waschen. Oder die in Lukas 8:1-3 angeführte Begebenheit, in welcher Jesus sich von Frauen beschenken lies, welche er vorher angeblich von Dämonen befreite (man kann nur hoffen, dass er dieses mal nicht wieder Schaden dadurch zufügte, wie er es mit den Schweinen tat).

Bislang zeigte sich Jesu Versagen als brauchbare ethische Richtlinie in diversen Punkten. Sei es in der Goldenen Regel, welche nichts andere ist als eine Abkupferung schon vorhandener philosophischer Grundsätze. Oder seine Vermessenheit in Bezug auf die Sündenvergebung, die sämtliche Beteiligten übergeht. Und natürlich darf sein Festhalten an alten, menschenverachtenden Geboten nicht vergessen werden.

Das alles jedoch wird in den Schatten gestellt von dem, was Jesus Menschen in Aussicht stellt, die sich nicht seinen Ansichten unterordnen, ergo sich nicht ihm unterordnen. Die wohl am weitesten verbreitete Redewendung in diesem Bezug findet sich unter anderem in Matthäus 13:47-50, wo es heißt:
„Abermals ist gleich das Himmelreich einem Netze, das ins Meer geworfen ist, womit man allerlei Gattung fängt. Wenn es aber voll ist, so ziehen sie es heraus an das Ufer, sitzen und lesen die guten in ein Gefäß zusammen; aber die faulen werfen sie weg. Also wird es auch am Ende der Welt gehen: die Engel werden ausgehen und die Bösen von den Gerechten scheiden und werden sie in den Feuerofen werfen; da wird Heulen und Zähneklappen sein."
Keine rosigen Aussichten für Abweichler
In den „Feuerofen“ und „Heulen und Zähneklappen“. Jesus stellt direkt die Hölle in Aussicht. Das mag vielleicht zuerst einmal unspektakulär klingen, immerhin ist schon im Alten Testament oft von der Hölle die Rede. Jedoch bezieht es sich im AT auf das Totenreich, nicht auf die ewigen Qualen. Diese Folter, diese dauerhafte unmenschliche Bestrafung in Form von ewigen Qualen ist innerhalb der Bibel erst die Erfindung Jesu Christi. Natürlich gab es in anderen Kulturkreisen schon lange vor Jesus einen Ort ewiger Höllenqualen, daher liegt hier der Schluß nahe, dass Jesus nicht von allein auf diese Perversion kam, sondern sich auch in diesem Punkt bei bereits bestehendem Gedankengut bediente.
Hier einige weitere Zitate des liebevollen Jesu Christi:

„Und er hat seine Wurfschaufel in der Hand: er wird seine Tenne fegen und den Weizen in seine Scheune sammeln; aber die Spreu wird er verbrennen mit ewigem Feuer.“ 
(Matthäus 3:12) (Spreu und Weizen stehen synonym für Menschen, welche mit ewigen Feuer verbrennen.)

„des Menschen Sohn wird seine Engel senden; und sie werden sammeln aus seinem Reich alle Ärgernisse und die da unrecht tun, und werden sie in den Feuerofen werfen; da wird sein Heulen und Zähneklappen.“ 
(Matthäus 13: 41, 42) (Zur Erinnerung – Unrecht ist z. B. das Verstoßen gegen die bereits erwähnten Gebote des AT, auf die Jesus ausdrücklichen Wert legte.)

 „Dann wird er auch sagen zu denen zur Linken: Gehet hin von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln!“ 
(Matthäus  25:41) (Hierzu spricht im Kontext Offenbarung  20:10 ebenfalls von einer ewigen Qual)

Diese Liste könnte man natürlich noch erweitern. Immer wiederkehrende Formulierungen sind das „Heulen und Zähneklappern“ als Ausdruck von Schmerz und Qual sowie das ewige Feuer als Zeichen der unglaublichen und immerwährenden Schmerzen, welche unliebsamen Menschen bevorstünden.
Insofern lässt Jesus nicht die Wahl, sich ihm anzuschließen. Er versucht direkt zu erpressen und einzuschüchtern. Insofern kann man ihn passend als einen Spalter bezeichnen. Denn er fügte die Menschen nicht zusammen, sondern teilte sie auf. Sein Denken war geprägt von „Spreu und Weizen“, also von Gut und Böse. Von Böcken und Lämmern. Ein recht einfaches Weltbild. Man könnte nun bekannte Diktatoren und Massenmörder aufzählen, die ebenso wie Jesus die Welt in gute Menschen und schlechte Menschen aufteilten und sich dementsprechend verhielten, aber jeder kennt sie. Nicht zuletzt ein ehemaligen Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika behauptete, das Böse existiere und man müsse es bekämpfen – der Einstieg in einen über 10 Jahre dauernden Krieg, der vor allem vielen Unbeteiligten das Leben kostete.
Besonders Jesu Worte in Matthäus 12:30 sprechen eine deutliche Sprache:
„Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich;“
Wer eine andere Meinung vertritt, ist der Feind. Im Übrigen zeigt sich hier wieder Jesu bereits angesprochener Größenwahn. Die Vorstellung, dass es Leute gab, denen Jesus komplett egal war, kannte er nicht. Für ihn gab es entweder Menschen für oder wider ihn. Behält man im Hinterkopf, dass er sich kaum von seinem Heimatort entfernte, dürfte auf der Hand liegen, dass die Menschen auf anderen Kontinenten sich wohl kaum für einen größenwahnsinnigen Zimmermann interessierten, der allen Ernstes behauptete, er würde Gottes Sohn sein. Aber immerhin vergab er ihnen ihre Sünden!

Jesu Rhetorik zeichnet sich deutlich dadurch aus, dass er die Menschen nicht mit vernünftigen und guten Argumenten zum Umdenken bringen wollte (man denke dabei an Sokrates, der weitaus vernünftiger schon Jahrhunderte vor dem jüdischen Wanderer lehrte). Sondern er versucht mittels Strafe und Belohnung seine Mitmenschen zu beeinflussen und sie auf emotionaler statt auf rationaler Ebene zu treffen. So findet sich z. B. in Matthäus 19:28, 29 der Lohn, den Jesus dafür in Aussicht stellt, ihm nachzufolgen. Er schwärmt von Besitztümern, die die Entbehrungen auf der Erde entlohnen würden. Der exakt gleichen Rhetorik sind die Attentäter des 11. Septembers in Amerika auf den Leim gegangen. Die Lehren an sich wurden nicht hinterfragt, sondern Menschen wurden durch die irrationale Belohnung nach dem Tod beeinflusst und somit zum Handeln gebracht. Natürlich heißt das nicht, dass Jesus zum Morden aufrief (obwohl er sagte, er sei gekommen, nicht um Frieden, sondern das Schwert zu bringen und, wenn auch metaphorisch, aufforderte, man möge sich Schwerter schmieden, wenn man keine besitze, was wiederum heilige Kriege rechtfertigte…), jedoch ist interessant, dass man auf die gleiche Rhetorik trifft.
Was man vergeblich sucht, sind lebensbejahende Begründungen. Im Kern ist als Beispiel der Gedanke der Goldenen Regel ja nicht schlecht, aber auch hier wird im Endeffekt die Belohnung in Aussicht gestellt, um dadurch die Menschen zum handeln zu animieren. Auch im Punkt Gedankenverbrechen argumentiert er nicht vernünftig, sondern droht indirekt. Insofern fordert Jesus die Menschen nicht auf, gut zu sein, weil sich dadurch eine angenehme und friedliche Gesellschaft ergibt (sehr einfach formuliert), sondern weil sie am Ende dafür entlohnt - oder bestraft - würden. Leider ist das für nicht wenige Missionare und sonstige Nachfolger eine sehr entlarvende Schlussfolgerung, nämlich dass sie ihrem „christlichen Werk“ nur nachgehen, weil Jesus entsprechenden Lohn für sie bereithalte. Schade auch für Jesus, der scheinbar seinen Nachfolgern so wenig Integrität zutraute, als das sie sich nicht recht verhalten würde, schlichtweg weil es richtig ist, sondern nur aufgrund einer auf sie wartenden Belohnung.
Auch hier zeigt sich wieder einmal, dass Jesus in keinerlei Hinsicht ethisch brauchbar vorging.

Was ergibt sich aus alledem schlussendlich? Auf der Hand liegt, dass Jesus aus ethischer Sicht voll und ganz versagte. Wenn man ihm heutzutage zusichert, ein Vorbote des Friedens, des Pazifismus gewesen zu sein, wird deutlich, dass es sich hierbei um eine leere Behauptung handelt, die sich bei näherer Betrachtung direkt als komplette Falschaussage herausstellt. Und die einzig brauchbare, große Aussage ist schlichtweg ein Plagiat bereits vorhandener Weisheiten, die jedoch hervorragend ohne eine angeblich göttliche Autorität und den darauf folgenden Belohnungen und Bestrafungen auskam (sogar viel besser ohne diesen Nutzlosen Ballast auskommt!).
Hinzu kommt, dass er weitläufig Aussagen und Forderungen nicht nur nicht rational begründete, wie man es eigentlich zu erwarten hat, sondern die Befolgung seiner Forderungen durch seine Autorität als Sohn Gottes rechtfertigt (was es sogar für einige Menschen heutzutage noch unmöglich macht, seine Aussagen zu hinterfragen, da sie heilig, göttlich und somit unfehlbar seien).
In vielerlei Hinsicht zeigt sich, dass ein Verzichten auf Jesu Vorbild weitaus humaner und besonders vernünftig ist, z. B. wenn es darum geht, die im AT festgelegten Regeln zu missachten, welche, nebenbei bemerkt, mittlerweile sogar gegen das Deutsche Grundgesetz verstoßen.
Ein weiter Punkt, der bislang keine Erwähnung fand ist, dass Jesus zu diversen Missständen einfach schwieg. Insofern er wirklich ein so stark beachteter und angesehner Lehrer und Redner war, als welchen ihn die Bibel darstellen möchte, wäre es ihm sicherlich ein Leichtes gewesen, gewisse Dinge anzuprangern, die seit Jahrhunderten wohl besonders in der ihm bekannten Welt Menschenleben zur Hölle auf Erden machten. Sei es  die unwürdige Respektlosigkeit gegenüber Frauen, die menschenverachtende Sklavenhaltung oder gewalttätige Konflikte.
Zu allen diesen Dingen schwieg er oder befeuerte sie sogar mit indirekten Anspielungen. Von einem Möchtegerngott sollte man doch einiges mehr erwarten.
Denn offensichtlich haben seine Nachfolger eben diese Dinge besonders gebraucht. Nehmen wir Paulus, der, wie bereits angeführt, Frauen verachtete und direkt degradierte und ein grandioses Beispiel für die Verfolgung der Juden wurde. Oder die Sklavenhaltung, welche zu Jesu Zeit eine völlig normale Angelegenheit war, sogar noch knappe 2000 Jahre nach Jesu Tod Anwendung fand, nicht zuletzt mit der direkten Berufung auf die Bibel.
Zwar sagte Jesus, wer das Schwert ziehe, würde eben dadurch auch sterben, nur hätte er eben diesen Ausspruch wohl besser nicht durch andere Ausführungen widerlegen sollen. Von einer eindeutigen Dinstanzierung zur Gewalt kann man kaum sprechen, schwärmte er doch selbst davon und wandte sie sogar selbst an. Ein leuchtendes Vorbild.

Trotz allem kann man natürlich mit einigen berühmten Christen bzw. mit Menschen argumentieren, welche unter Berufung auf Jesu Beispiel und ihre christliche Religion besonders humanistisch lebten. Als Beispiel könnte dafür Martin Luther King gelten, auf den Christopher Hitchens im bereits erwähnten Buch „Der Herr ist kein Hirte“ einging.
Jedoch wird sich in fast 100% der Fälle zeigen, dass diese Menschen in ihren humanistischen Handlungen sich entgegen den biblischen Maßstäben verhielten (und somit eigentlich unchristlich waren). Und, was noch viel schlimmer ist, sich wahrscheinlich viel mehr Beispiele für besondere Unmenschlichkeit bei Menschen finden lassen, die ihrem biblischen Vorbild in besonderem Eifer folgen wollten (auch hier kann man diverse Prominente nennen wie Mutter Theresa, welche den passenden Beinamen „Todesengel von Kalkutta“ trug, George W. Bush, der in christlicher Rhetorik vom Bösen sprach, das zu bekämpfen sei, Adolf Hitler, der in seinem Buch "Mein Kampf" von der Erfüllung Jesu Auftrag sprach und sich in seiner Judenhetze perfekt an Christen wie Paulus und Luther orientierte, Martin Luther, welcher in einem besonderen Maß gegen Juden und aufständische Bauern wetterte und ihre Ermordung forderte und sogar in Joseph Konys LRA, die durch Massenmorde, ethnische Säuberungen und eine Armee von Kindersoldaten seit Jahren Aufmerksamkeit erregt, finden sich christliche Züge.).

Es lässt sich feststellen, dass die eingangs gestellte Frage mit einem ausdrücklich „Nein!“ zu beantworten ist.
Jesus ist nicht als ethisches Vorbild zu gebrauchen.
Im Gegenteil sogar, Jesus als festes Vorbild zu nehmen ist in vielerlei Hinsicht in äußerstem Maße inhuman, spaltend und in einer toleranten Gesellschaft mehr als schädlich.



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Alle Bibelverse wurden der Lutherübersetzung entnommen.